Großer Josef Krainer-Preis 2018
EAV (Musik) Seit mehr als 40 Jahren ist die Erste Allgemeine Verunsicherung nun schon als Band aktiv und als österreichische Institution in der Musikgeschichte nicht mehr wegzudenken. Ob Märchenprinz, Copacabana oder Banküberfall – ihre Hits sind unverkennbar, unvergesslich und dürfen auf keiner Party fehlen. Der oft ironisch-bissige Humor der Texte – und Interpreten – sorgt für Unterhaltung, vor allem auch bei den Live-Auftritten auf der Bühne, die überdies immer aufwändig und kreativ gestaltet sind, aber bei all dem Klamauk ist auch immer etwas zum Nachdenken im Paket verpackt. Die teils kritischen Texte sind nicht immer überall auf Freude gestoßen, aber das ist typisch für die Kunst – und Kunst ist es, was die EAV und ihre Musik ausmacht. Gegründet wurde die Band 1977 von Eik Breit, Nino Holm, Anders Stenmo, dem Conferéncier Walter Hammerl und Thomas Spitzer, der bis heute als Gitarrist, Texter und Komponist sozusagen der rote Faden der EAV ist. Wie manchen vielleicht bekannt ist, hätte es die Band aber ohne Austropop-Legende Wilfried, der leider 2017 verstorben ist, nicht gegeben. Er sprang in der ersten Bühnenshow als Sänger ein und unterstützte die junge Gruppe auch auf dem Weg zum ersten Plattenvertrag. Der nächste Sänger war aber auch kein Unbekannter, nämlich Gert Steinbäcker, der sich aber ab 1983 voll auf die Musik mit seinen STS-Kollegen Günter Timischl und Schiffkowitz konzentrierte. Die Gesangsbühne war nun also wieder frei und Klaus Eberhartinger, der schon seit zwei Jahren als Conferéncier bei der Band war, übernahm diese zentrale Rolle, die er bis heute inne hat. Mit dem „Alpenrap“ gab es 1983 einen ersten Charts-Erfolg in Österreich. Den großen Durchbruch – auch in den österreichischen Nachbarländern – hatte die EAV dann aber im Jahr 1985 mit dem Album „Geld oder Leben“, auf dem sich Hits wie „Banküberfall“, „Fata Morgana“ und „Märchenprinz“ befinden. Es folgten unzählige Single-Hits und Alben, Fernsehauftritte und Tourneen. Die EAV kann auf eine Karriere mit weit über 1.000 Konzert-Auftritten in Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Liechtenstein und Tschechien, über 10 Mio. verkauften Großtonträgern, 10 Nummer-1 Alben in Österreich und auf unzählige Auszeichnungen zurückblicken. Aktuell besteht die EAV neben Thomas Spitzer und Klaus Eberhartinger aus den weiteren Band-Mitgliedern Kurt Keinrath, Franz Kreimer, Reinhard Stranzinger, Alvis Reid und Aaron Thier. Der unverkennbare Sound, die gewitzten Wortspiele und Schüttelreime, die Zeichnungen, Masken, Verkleidungen und Bühnenshows sowie Musikvideos, die alle in ihrer Art unverwechselbar und zum großen Teil wohl auch unvergesslich sind – das alles und noch mehr macht die EAV aus. Schließlich geht es neben Ulkerei und Unterhaltung auch immer, oder meist, um das Kritische Betrachten der Welt und ihrer Menschen. Die Band selbst sagt dazu auch: „Humor wird immer die Waffe der EAV sein. Wir können die Welt nicht ändern, aber wir können das aktuelle Geschehen mit unseren Mitteln reflektieren.“ 2019 feiert die EAV ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum und kündigte dazu eine Abschiedstournee unter dem Titel „1000 Jahre EAV“ an, zu der es heißt „Was vorbei ist, ist vorbei“ – aber man betont zugleich, dass es einmal die Erste Abschiedstour wäre.
Generaldirektorin Dkfm. Elisabeth GÜRTLER-MAUTHNER (Wirtschaft) Dkfm. Elisabeth Gürtler-Mauthner ist seit 2007 die Generaldirektorin der Spanischen Hofreitschule in der Wiener Hofburg, wo die berühmten Lipizzanerpferde ihre Ausbildung erhalten und das Können in beeindruckenden Vorführungen zur Schau stellen. Die Klassische Reitkunst und die Hohe Schule der Spanischen Hofreitschule wurde übrigens 2010 zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe erhoben und vor zwei Jahren wurde auch das Lipizzanergestüt im weststeirischen Piber mit einer solchen Auszeichnung bedacht. Pferde und der Reitsport haben Elisabeth Gürtler schon immer begeistert. Sie selbst war auch aktiv im Dressurreitsport und konnte 1979 den Vizestaatsmeistertitel im Dressurreiten erreichen. Ein kleiner Ausschnitt ihres Lebenslaufs zeigt die Vielfalt der Aufgaben und Herausforderungen, die Geduld, Geschick, Ehrgeiz und Talent erforderten. Elisabeth Gürtler-Mauthner wurde 1950 in Wien als Tochter des international tätigen Getreidekaufmanns und Handelsunternehmers Fritz Mauthner geboren. Sie absolvierte in Wien an der Hochschule für Welthandel ein wirtschaftswissenschaftliches Studium, das sie mit dem akademischen Grad „Diplom-Kaufmann“ schloss. Nach dem Tod ihres Vaters 1988 wurde sie – gemeinsam mit ihrer Schwester und ihrer Mutter – Gesellschafterin im väterlichen Unternehmen. Schon in ihrer Kindheit verbrachte Gürtler-Mauthner viel Zeit in Seefeld in Tirol und so ist es nicht verwunderlich, dass sie sich auch heute noch sehr oft und gerne als Gastgeberin im dortigen Hotel Astoria zeigt, das sie von ihrem Vater übernommen hatte. Sie war bis 1983 mit Peter Gürtler verheiratet, der 1990 verstarb und ihren gemeinsamen Kindern Alexandra und Georg, die damals noch minderjährig waren, die Sacher-Hotels in Wien und Salzburg sowie die Sachertorten AG vererbte. Elisabeth Gürtler übernahm das Sacher-Management und trug wesentlich zum Erfolg des Imperiums und der Marke Sacher bei. 2015 beendete sie ihre Führungstätigkeit im Unternehmen und übergab die Verantwortung an ihre Kinder. Einen weiteren Meilenstein im Leben von Gürtler-Mauthner stellten die Jahre als Organisatorin des Wiener Opernballs dar. Von 1999 bis 2007 war sie verantwortlich für DAS Gesellschaftsereignis des Jahres. Sie folgte auf Lotte Tobisch und führte u.a. den zwingenden Jahresbeitrag für Logenbesitzer oder ein erstes Rauchverbot am Ball ein. Der unternehmerische Esprit, Ideenreichtum und auch die guten Kontakte zur Wirtschaft schafften acht erfolgreiche Opernbälle unter ihrer Leitung. Doch es gab keine allzulange Pause bis zur nächsten Ball-Hoheit. Nachdem Elisabeth Gürtler-Mauthner 2007 gemeinsam mit Erwin Klissenbauer die Leitung der Spanischen Hofreitschule übernommen hatte, organisiert sie dort seit 2010 auch den Sommerball „Fête Impériale“, der mit der Hofreitschule im ältesten Ballsaal von Wien stattfindet und dessen Erlös der Lipizzanerzucht zugute kommt. In 24 dieser Jahre hatte Elisabeth Gürtler-Mauthner mit dem Schauspieler Helmuth Lohner einen Mann an ihrer Seite, denn man getrost als die große Liebe ihres Lebens bezeichnen kann. Der gemeinsame Freund Otto Schenk sagte, die beiden haben einfach „ineinander gefunden“. Umso schmerzlicher ist der Verlust, als Lohner 2015 nach einem Krebsleiden verstirbt. Elisabeth Gürtler-Mauthner hat immer viel gearbeitet, manchmal vielleicht auch zuviel, wie manche Freunde sich wohl beklagen. Sie ist noch immer voller Energie und wird durch ihr Engagement und ihre Ideen bestimmt noch viele Impulse geben.
Josef Krainer-Würdigungspreis 2018
Assoz. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Christoph AISTLEITNER (Mathematik) Aistleitner wurde 1982 in Linz geboren und ist in Steyr aufgewachsen. 2002 bis 2006 studierte er Mathematik an der TU Wien. Das folgende Doktorratsstudium absolvierte er an der TU in Graz. Anschließend war er als PostDoc-Wissenschaftler unter anderem in Graz, Leoben, Budapest und Bonn tätig. Das Schrödinger-Stipendium ermöglichte ihm dann spektakuläre Forschungsaufenthalte in Sydney (Australien) und Kobe (Japan), wo er jeweils ein Jahr verbrachte. Das dritte Jahr absolvierte er an der Universität Linz. In diesem Jahr 2015 erhielt Aistleitner mit dem Start-Preis des Wissenschaftsfonds FWF den höchsten Forschungspreis für junge Wissenschaftler in Österreich. Der Start-Preis besteht aus der Finanzierung eines 6-jährigen Forschungsprojekts und ist mit rund einer Million Euro dotiert. Zur Durchführung dieses Projekts mit dem Titel „Probabilistische Methoden in Analysis und Zahlentheorie“ kehrte Aistleitner an die TU Graz zurück, wo er eine Laufbahnstelle erhielt und derzeit „Associate Professor“ ist. Seine wissenschaftliche Tätigkeit erstreckt sich über mehrere Gebiete: Christoph Aistleitner arbeitet am Überschneidungsbereich der mathematischen Disziplinen Analysis, Zahlentheorie und Wahrscheinlichkeitstheorie. Die Bandbreite reicht dabei von Fragestellung von ganz theoretisch-fundamentaler Natur bis zu Anwendungen der Mathematik in Simulation und Wirtschaft, z.B. in der Finanz- und Versicherungsmathematik. Diese Bandbreite in der Forschungsarbeit ist sehr ungewöhnlich, und zeichnet Herrn Aistleitner besonders aus. Häufig setzt er Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie für Probleme ein, bei denen in erster Linie keinerlei Wahrscheinlichkeiten oder Zufälligkeiten vorhanden scheinen. Christoph Aistleitner hat als Wissenschaftler auf drei verschiedenen Kontinenten gearbeitet, mehr als 70 wissenschaftliche Arbeiten verfasst, und wissenschaftliche Vorträge in mehr als 20 verschiedenen Ländern gehalten, wie beispielweise als Plenarvortragender einer großen Konferenz an der Stanford University in Kalifornien. Neben seiner Forschungstätigkeit ist er an der TU Graz auch in der Lehre tätig und hält Spezialvorlesungen für Mathematik-Studenten (daneben etwa auch einen Spezialkurs für junge Wissenschaftler am Erwin-Schrödinger-Institut) ebenso wie große einführende Mathematik-Lehrveranstaltungen für hunderte Studierende der Ingenieurswissenschaften. Als Wissenschaftler ist Aistleitner bereits vielfach dekoriert, neben dem erwähnten FWF Start-Preis erhielt er auch den Förderungspreis der österreichischen mathematischen Gesellschaft, den Kardinal-Innitzer-Preis, die Talentförderungsprämie des Landes OÖ, den Information-based Complexity young researcher award, den Hlawka-Preis der österreichischen Akademie der Wissenschaften oder auch – im Dezember des Vorjahres – den Förderungspreis des Landes Steiermark. Christoph Aistleitner ist seit 2011 verheiratet mit seiner Frau Marion, die ebenfalls Oberösterreicherin ist. 2012 kamen die Zwillingssöhne Jakob und Paul zur Welt (beide waren übrigens in Australien und Japan als Kleinkinder mit dabei) und 2016 folgte der dritte Sohn Leo. Nach Erhalt der Laufbahnstelle in Graz und der daraus folgenden beruflichen Sicherheit hat sich die Familie Aistleitner entschieden, in der Steiermark sesshaft zu werden.
Univ.-Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr. Claudia HAAGEN-SCHÜTZENHÖFER (Didaktik der Physik) Claudia Haagen-Schützenhöfer wurde 1975 in Hartberg geboren und studierte Physik und Anglisistik/Amerikanistik Lehramt in Graz. Nach Abschluss des Studiums wollte sie unbedingt in diesem Bereich forschend tätig werden, was sich allerdings schwierig gestaltete, da zum damaligen Zeitpunkt keine österreichische Bildungseinrichtung über einen Lehrstuhl mit Promotionsrecht im Bereich der Physikdidaktik verfügte. Diese Rahmenbedingungen waren dafür ausschlaggebend, dass sie schließlich ein Doktoratsstudium in den Erziehungswissenschaften absolvierte, für das sie auch mit dem Institut für Physik zusammenarbeiten konnte. Trotz dieser intensiven Auseinandersetzung mit Physikunterricht aus einer fachdidaktischen Forschungsperspektive war ihr von Anfang an Praxiserfahrung von großer Wichtigkeit. Acht Jahre lang hatte sie schließlich an verschiedenen steirischen Gymnasien Physik, Englisch und Projektmanagement unterrichtet. 2009 war ihr durch die Schaffung von nationalen Fachdidaktikzentren der Wechsel als PostDoc ans Austrian Competence Centre for Physics der Universität Wien möglich. Für das Weggehen aus dem sicheren beruflichen und privaten Umfeld gab es vielfach Unverständnis und der Weg als „Quereinsteigerin“ war nicht einfach, doch – nicht zuletzt durch Unterstützung von Familie und ihrem Mann Wolfgang – hat Claudia Haagen-Schüteznhöfer die Herausforderung gemeistert und konnte sich neben den vielfachen Aufgaben in Forschung, Lehre und Administration auch gestaltend in die österreichische Bildungslandschaft einbringen. Auch die internationale Vernetzung mit Forschergruppen und Organisationen konnte gelingen. 2014 kehrte sie wieder an die Karl-Franzens-Universität Graz zurück, wo ein eigener Fachbereich für Physikdidaktik aufgebaut wurde, dem sie seit 2015 vorsteht. Haagen-Schützenhöfer ist die erste und einzige habilitierte steirische Physikdidaktikerin – die zweite österreichweit. Ihre Vision für die Zukunft ist es, die wissenschaftliche Expertise zu nutzen, um die steirische Physiklehrkräfteausbildung zur besten in Österreich zu machen. Physikdidaktik ist auch international gesehen ein relativ junger Forschungsbereich, der an der Schnittstelle zwischen Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften passiert. Die Zielsetzung besteht darin, physikalische Lern- und Vermittlungsprozesse bei Zielgruppen vom Kindergarten bis in den universitären Bereich mit Instrumentarien und Methoden sozial-empirischer sowie kognitionspsychologischer Forschung zu analysieren, zu modellieren und durch die Entwicklung geeigneter Interventionen zu optimieren. So geht es beispielsweise darum herauszufinden, welches Alltagswissen Lernende in den Physikunterricht mitbringen, also stabile Vorstellungen zu physikalischen Konzepten, die individuell aus Alltagserfahrungen (Erlebnissen, TV, Medien, Alltagssprache, …) entwickelt wurden. Häufig decken sich diese Alltagsvorstellungen nicht mit physikalischen Konzepten und behindern das so Fachlernen. Haagen-Schützenhöfer beschäftigt sich u.a. genau damit, welche Voraussetzungen Lernende in den Physikunterricht mitbringen und welche Interventionen gesetzt werden können, damit fachspezifische Lernprozesse erfolgreich ablaufen, d.h. dass Schülerinnen und Schüler ein Fachwissen erwerben, dass sie in Alltagskontexten auch sinnvoll anwenden können. Ihr Habilitationsprojekt mit Fokus auf Lehr- und Lernprozesse im Bereich der geometrischen Optik bei Lernenden der 8. Schulstufe erfuhr einen herausragenden wissenschaftlichen Erfolg, der durch hervorragende Gutachten international ausgewiesener Physikdidaktiker, durch eine Vielzahl hochkarätiger internationaler Publikationen im Bereich Physics Education Research sowie durch eine große Anzahl an Vortragseinladungen bestätigt wurde. Neben diesem wissenschaftlichen Einfluss im Bereich der Fachdidaktik sind natürlich auch Erkenntnisse für die Anwendungspraxis von großer Bedeutung. So fließen die Forschungsergebnisse von Claudia Haagen-Schützenhöfer in Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme für Physiklehrkräfte, in deutschsprachige fachdidaktische Lehrbücher sowie in österreichische Physikschulbücher ein. Aktuell liegt ihr Forschungsschwerpunkt auf der Professionalisierungsforschung von Physiklehrkräften sowie der Schulbuchforschung. Es scheint kaum zu glauben, dass hier noch Platz für private Aktivitäten ist. Die meiste der spärlichen Freizeit vebringt Claudia Haagen-Schützenhöfer mit ihrem Mann DI Dr. Wolfgang Schützenhöfer und ihren beiden kleinen Neffen, die ihr im Gegenzug zu spannenden naturwissenschaftlichen Experimenten sportliche Höchstleistungen abverlangen. Sie interessiert sich für Kunst und Kultur, liest gerne Krimis und lässt sich hin und wieder von Familie und Freunden zu einem freien Abend überreden.
Josef Krainer-Förderungspreis 2018
Dipl.-Ing. Dr. Christoph BIRKL (Medizintechnik) Christoph BIRKL wurde 1986 in Zams in Tirol geboren und besuchte die Höhere Technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt in Innsbruck. Er kam dann nach Graz und studierte Biomedical Engineering an der Technischen Universität und erlangte 2012 den Master. Das anschließende Doktorratsstudium schloss er 2015 mit Auszeichnung ab. Schon im Bachelorstudium interessierte sich BIRKL besonders für die bildgebenden Verfahren und auch jetzt liegt sein Forschungsschwerpunkt bei der Magnetresonanztomographie (MRT) und der Entwicklung neuer, quantitative Bildgebungsverfahren und Bildmarker mit Anwendung in den Neurowissenschaften, wobei der Fokus auf der neurodegenerativen Erkrankung Multiple Sklerose, kurz MS, liegt. Dieser Schwerpunkt bildet auch den Inhalt der herausragenden Dissertationsarbeit, die wir heute auszeichnen dürfen. Multiple Sklerose ist eine weit verbreitete Erkrankung, die bereits im Alter von 20 bis 40 Jahren auftritt. Somit ist es von größter Bedeutung, diese so früh wie möglich zu erkennen, um eine gezielte und effektive Behandlung durchführen zu können. Verschiedene Studien zeigten, dass der Eisenstoffwechsel bei MS gestört ist. Erhöhte Eisenwerte in verschiedenen Gehirnregionen wurden vermehrt beobachtet. Die genauen Mechanismen, die zu diesen erhöhten Eisenwerten führen, sind größtenteils noch unbekannt und daher von enormem Interesse für die Forschung. Die derzeit eingesetzten Methoden zur Eisenquantifizierung, basierend auf MRT, sind nur in Gehirnregionen mit sehr geringem Myelingehalt, wie in der tiefen grauen Substanz, einsetzbar. Aussagen zum Eisenstoffwechsel in weißer Substanz, also mit hohem Myelingehalt, konnten bis dato nur durch konkrete Untersuchungen von Gewebeproben unter dem Mikroskop getroffen werden. Im Rahmen seiner Dissertation hat BIRKL eine neue Methode entwickelt, die mittels temperaturabhängiger Messung von MRT-Relaxationszeiten die Berechnung eines Temperaturkoeffizienten ermöglicht, der als Eisenmarker eingesetzt wird. Durch diese Methode ist es erstmalig möglich, mittels MRT Eisen unabhängig vom Myelin in der weißen Substanz bei MS zu quantifizieren. Mit der entwickelten Methode wurde der Eisengehalt in fixiertem MS Gehirngewebe kartiert und mittels histopatologischen, also mikroskopischer, Analysen überprüft. Durch die in dieser Dissertation gewonnenen Erkenntnisse ist es nun möglich, genauere Aussagen zum Eisengehalt in weißer Substanz zu treffen und diesen mit den verschiedenen Krankheitsaspekten bei MS zu verknüpfen. Die durchgeführten post-mortem Messungen konnten neben wichtigen Informationen über den Eisengehalt auch neue Erkenntnisse über den Einfluss von Temperatur und Fixierung auf den MRT-Bildkontrast sowie quantitative Parameter liefern. In dieser Arbeit wurde erstmalig die Eisenverteilung quantitativ in weißer Substanz von MS-Gehirngewebe gezeigt. Dies ist ein weiterer Baustein, um die Mechanismen der MS-Pathologie zu erforschen und zu verstehen. Christoph BIRKL ist seit 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neurologie der MedUni Graz tätig und seit über das Erwin-Schrödinger-Stipendium Postdoctoral Fellow an der University of Britisch Columbia in Vancouver, Kanada. Er ist verheiratet mit Anna Maria Birkl-Töglhofer. Nach zahlreichen Publikationen und mehrfacher Auszeichnung wird seine Arbeit heute mit dem Josef Krainer-Förderungspreis gewürdigt.
Dr. Philipp KAINZ, MSc (Medizinische Wissenschaften) Philipp Kainz wurde 1986 in Graz geboren. Er begann 2006 mit dem Bachelorstudium „Health Care Engineering“ an der FH Joanneum in Graz und schloss das Masterstudium „eHealth“ an. 2012 begann er an der Medizinischen Universität Graz das Doktoratsstudium im Bereich der automatisierten Bildanalyse für die digitale Pathologie. Dort wird täglich eine Vielzahl von Gewebeproben von Ärzten untersucht, darunter auch die Entwicklung von Blutzellen im Knochenmark. Die grundlegende Fragestellung im Dissertationsprojekt von KAINZ war, ob man eine Einteilung verschiedener Entwicklungsstadien vollautomatisch vornehmen kann und zwar nur aus den Bilddaten. Dazu bot sich eine Künstliche Intelligenz an, die mit diesen komplexen Bildern umgehen kann, was aber nicht selbstverständlich ist, da eine Maschine nicht auf die jahrelange Erfahrung zurückgreifen kann, wie sie zum Beispiel ein Arzt hat. KAINZ hat einen Weg gefunden, einem Computer genau das zu lernen. Damit ist diese Einteilung nicht mehr von der Einschätzung eines einzigen Arztes abhängig, sondern kann von nun an objektiv getroffen werden. Die neue Methode namens „Proximity Score Regression“ ermöglichen einen Ansatz für schnelle und verlässliche Lokalisierung und Detektionsgenauigkeit. Ein neues Klassifikationsschema für die Klassifikation der Zell-Reifegrade wird in der Arbeit ebenfalls vorgestellt. Die Arbeit zeigt, dass überwachtes maschinelles lernen den Einsatz verlässlicher, präziser Bildanalysesysteme ermöglicht. Motiviert durch die Anforderung dieser Methoden an valide Beispieldaten wurde auch eine Web-Applikation entwickelt, die eine Durchführung kontrollierter Studien ermöglicht. Die vielversprechenden Resultate zeigen Möglichkeiten für computergestützte Diagnoseprozesse auf. In zukünftiger Forschungsarbeit muss die Kongruenz zwischen mehreren Pathologen und den automatischen Analysemethoden studiert werden. Nach Auslandsaufenthalten von KAINZ an der University of Liège und ETH Zürich während des Studiums folgte 2017 ein PostDoc am Grazer Ludwig Boltzmann Institut für Klinisch-Forensische Bildgebung, wo er sich mit der automatischen Analyse von 3D-MRT-Bildern beschäftigte. Schon während des Studiums hatte KAINZ immer wieder den Drang, ein eigenes Unternehmen zu gründen, das die Automatisierung der Bildanalyse zum Kernthema hat. Und so gründete er zusammen mit seinem Kollegen Michael Mayrhofer noch kurz vor dem Abschlussrigorosum 2016 das Unternehmen „KML VISION“. KML VISION versucht, neue effiziente Technologien möglichst vielen Nutzern zugänglich zu machen. Neben der Tätigkeit im eigenen Unternehmen forscht er aber auch am Institut für Biophysik an der MedUni Graz im Bereich der Biomedizinischen Bildanalyse und Softwareentwicklung. Die wenige Freizeit verbringt Philipp Kainz nach Möglichkeit mit Sport wie Laufen, Wandern, Schifahren, Schwimmen oder Volleyball. Auch Musik hat einen besonderen Stellenwert in seinem Leben: als passionierter Schlagzeuger war er auch viele Jahre Bandmitglied, zuletzt bei der Metal-Band „Ivory“, doch die Wissenschaft hatte schließlich Vorrang gegenüber der – zumindest aktiven – Musikerkarriere.
Dipl.-Ing. Dr. Ruth KONETSCHNIK (Montanwissenschaften) Wir alle kennen folgendes Vorurteil bzw. folgende Aussage: „Die Elektrogeräte von heute halten bei weitem nicht mehr so lange…“ Und tatsächlich hat man Haushalts- und andere Geräte in Erinnerung, die beinahe unverwüstlich über viele Jahre ihren Dienst taten. Dass die alten Geräte ganz anders aufgebaut wurden und von Bauteilen der Mikroelektronik oft weit entfernt waren, ist eine andere Geschichte. Ruth KONETSCHNIK forscht genau daran, dass auch die neuen High-Tech-Geräte länger leben sollen. Ruth KONETSCHNIK wurde 1988 in Graz geboren. Sie studierte an der Montanuniversität Leoben Werkstoffwissenschaften und begann 2012 mit dem Doktoratsstudium am Department Materialphysik. Ihre Dissertation mit dem Titel „Residual Stresses and Crack Growth in Microelectronic Thin Films“ dürfen wir heute auszeichnen. Die Intention ihrer Forschungsarbeit bestand darin, die Lebensdauer von Elektrogeräten besser vorhersehen zu können. Konkret betrifft das die Mikroelektronikkomponenten wie beispielsweise eine Computerplatine und deren Qualitätssicherung. Noch befindet sich dieser Forschungszweig im Grundlagenstadium. Daher wurden in dieser Arbeit keine echten Bauteile untersucht, sondern vereinfachte Proben. Ein wichtiger Teil war die Bestimmung der inneren Belastungen in dünnen, metallischen Schichten. Diese sogenannten Eigenspannungen stammen aus der Herstellung oder entstehen aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften der Schichten. Das Problem dabei ist, dass sie zu einem katastrophalen Versagen der Bauteile führen können. Die entscheidende Entwicklung ist eine innovative Methode zur genauen und lokalen Bestimmung dieser Eigenspannungen. Eine der Besonderheiten dieser Methode ist die hohe Auflösung der Messung – sogar bei Proben mit mehreren extrem dünnen Schichten. Langfristig gesehen soll die Arbeit dabei helfen, die Zuverlässigkeit von Elektrogeräten zu verbessern und frühe Ausfälle zu verhindern. Das Department Materialphysik und die Arbeitsgruppe Mikromechanik an der Montanuni haben sich in den letzten Jahren als Themenführer und Wissensschnittstelle etabliert. Insbesondere die Einladung zu zahlreichen Keynote-Vorträgen bei internationalen Veranstaltungen zeugt von der Relevanz der Arbeit auf globaler Ebene. Als Teil dieser Gruppe konnte KONETSCHNIK wesentlich dazu beitragen, die Erkenntnisse der Forschung in anerkannten Journalen zu publizieren und auf internationalen Konferenzen vorzustellen. Darüber hinaus ist die Forschung hinsichtlich der Qualitätssicherung von Mikroelektronik-Komponenten auch von besonderer Bedeutung für die heimische Wirtschaft, die ja auch in der Mikroelektronik-Branche mit zahlreichen Unternehmen vertreten ist. Ruth KONETSCHNIK ist verheiratet mit ihrem Mann Stefan und hat zwei Kinder, für die sie sich aktuell auch mehr Zeit nimmt. Gleichzeitig bereitet sie sich aber auf die neuen beruflichen Herausforderungen vor und plant gegen Ende dieses Jahres, wieder voll durchzustarten.
Dipl.-Ing. Dr. Alexander MELZER (Naturwissenschaften) Alexander Melzer wurde 1988 in Graz geboren. Nach der HTL in Kaindorf begann er das Telematik-Studium an der Technischen Universität Graz und war nebenbei als Softwareentwickler tätig. 2012 legte er den Master ab und war dann ein gutes Jahr bei der Maxim Integrated GmbH, um an Keyless-Go Systemen für Automobile mitzuentwickeln. Schließlich machte er sein Doktorat der technischen Naturwissenschaften an der Johannes Kepler Universität in Linz und war zugleich Universitätsassistent am dortigen Institut für Signalverarbeitung. 2017 promovierte er schließlich mit der ausgezeichneten Dissertation „Short-Range Leakage Cancelation in FMCW Radar Transceiver MMICs“. Den Inhalt dieser Arbeit dürfen wir wie folgt zusammenfassen: Moderne Automobile sind mit Radarsensoren ausgestattet, welche genaue Informationen über Distanz, Geschwindigkeit und Winkel zu umliegenden Objekten im Straßenverkehr ermitteln. Diese Informationen sind nicht nur wesentlich für moderne Fahrerassistenzsysteme, wie etwa adaptive Fahrgeschwindigkeitsregler oder Bremsassistenten, sondern auch Voraussetzung für die Realisierung autonom fahrender Autos. Bei den eingesetzten Radarsensoren sind dabei insbesondere Reichweite und Genauigkeit ausschlaggebend für die Sicherheit der Insassen sowie anderer Verkehrsteilnehmer. Dies ist von überaus großer Bedeutung da etwa 90 Prozent aller Auffahrunfälle mit Personenschaden auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen sind, während bis zu 72 Prozent dieser Unfälle durch einen flächendeckenden Einsatz von Notbremssystemen zu verhindern wären. Aus optischen Gründen, aber auch zum Schutz der Linse werden die Radarsensoren häufig unmittelbar hinter der Stoßstange oder der Karosserie des Autos verbaut. Dies führt dazu, dass das ausgesendete Radarsignal permanent mit verhältnismäßig großer Signalfrequenz von der Stoßstange reflektiert wird, und somit andere tatsächlich erwünschte Reflexionen überlagert. Dadurch wird die erreichbare Sensitivität und Genauigkeit des Radarsystems maßgeblich beeinträchtigt, und Fahrerassistenzsysteme reagieren in kritischen Situationen möglicherweise verspätet. In der Doktorarbeit von Alexander MELZER werden neue Konzepte und Methoden zur Unterdrückung der Stoßstangenreflexionen vorgeschlagen, welche erstmals vollständig in einer monolithisch integrierten Mikrowellenschaltung (MMIC) realisiert werden können. Dafür wird ein künstliches Radar-Ziel am Chip, welches eine Objektreflexion imitiert, verwendet. Die starken Einschränkungen hinsichtlich der Implementierung im integrierten Schaltkreis werden durch statistische Signalverarbeitung umgangen. Simulations- als auch Messergebnisse des entwickelten Prototyps zeigen, dass mit den vorgeschlagenen Konzepten die Sensitivität des Radarsystems mehr als verdoppelt werden kann. Ein Gutachten für die Jury des Josef Krainer-Gedenkwerks sieht in der Arbeit einen „seltenen Glücksfall von Ingenieurskunst und Ingenieurswissenschaft“, so ist es auch kein Wunder, dass MELZER bereits zahlreiche weitere Preise erhalten hat und dass sich die Wirtschaft um den jungen Wissenschaftler reißt. Im Sommer 2017 begann er beim Halbleiterkonzern Infineon Technologies Austria AG in Graz und beschäftigt sich dort als Produktarchitekt nach wie vor mit Radarsensoren und der entsprechenden Signalverarbeitung. Alexander MELZER, der sich in seiner Freizeit gerne sportlich betätigt, hat bereits zahlreiche Patente angemeldet und eine Reihe an Journal- und Konferenzpublikationen veröffentlicht.
Dipl.-Ing. Dr. Veronika OBERSTEINER (Physik) Veronika OBERSTEINER wurde 1989 in Graz geboren. Sie begann 2007 mit dem Studium der Technischen Physik an der TU Graz und beendete das dortige Doktoratsstudium 2017 mit der Dissertation „Computergestützte Modellierung von organisch-anorganischen Nano-Materialien“, die wir heute auszeichnen dürfen. Die Arbeit von Veronika Obersteiner beschäftigt sich mit der Erforschung von Materialien mittels quantenmechanischer Computermethoden. An der Schnittstelle zwischen Experiment und Theorie schaffen diese Simulationen eine Verbindung, um Materialien und deren Eigenschaften besser zu verstehen und weiterzuentwickeln. Praktische Anwendungen erstrecken sich von der Aufklärung und Interpretation experimenteller Messungen bis hin zum Design vollkommen neuartiger Materialklassen noch vor deren Synthese. Letzteres erweist sich als entscheidende Triebkraft für den technologischen Fortschritt in vielen Bereichen der organischen Elektronik bis hin zur Photovoltaik, deren Weiterentwicklung gerade in Zeiten der nachhaltigen Energiegewinnung von großer Wichtigkeit ist. Ein wesentlicher Teil der Arbeit basiert auf sogenannten kollektiven elektrostatischen Effekten. Diese meist störenden Effekte wurden in der Dissertation im Bereich der molekularen Elektronik an organisch-anorganischen Grenzflächen aufgezeigt. Es wurde demonstriert, dass kollektive elektrostatische Effekte den Strom durch Bauelemente der molekularen Elektronik um Größenordnungen verändern können. Während kollektive elektrostatische Effekte oftmals auf natürliche Weise entstehen, können sie auch ausgenützt werden, um vollkommen neuartige Materialien zu entwickeln. Dieser innovative elektrostatische Designansatz zeigt, wie man die energetische Landschaft eines Materials so manipulieren kann, dass räumlich begrenzte Pfade für Elektronen und Löcher entstehen. Dies zeigt großes Potential als mögliche Anwendung in Solarzellen. Für jede quantenmechanische Simulation ist die exakte Geometrie des zu beschreibenden Materials von ausschlaggebender Bedeutung. Diese ist oftmals unbekannt, bestimmt jedoch praktisch jede seiner Eigenschaften. Um dem Rechnung zu tragen, hat OBERSTEINER in ihrer Dissertation einen neuartigen Algorithmus entwickelt, um die Geometrie von organisch-anorganischen Grenzflächen vorherzusagen. Basierend darauf konnten Interpretationen geliefert werden, welche im vorliegenden Fall nicht aus rein experimentellen Daten gewonnen werden können. Seit Oktober 2017 ist OBERSTEINER Analysis Engineer bei AVL List. Ihre aktuelle Forschungsarbeit umfasst Finite-Elemente Berechnung, Wärmeleitung und thermisches Management von Lithium-Ionen Batterien, Modellierung und Methodenentwicklung von Batteriealterung und Abuse Simulationen von Lithium-Ionen Batterien. Wenn Sie nicht beim Forschen und Entwickeln aktiv ist, erfreut sich Veronika Obersteiner an Musik, an Reisen und an der Natur.
MMag. Dr. Andrea PLODER, MA (Philosophie) Die 1980 in Graz geborene Andrea Ploder forscht seit einigen Jahren an der Schnittstelle zwischen Philosophie und den Sozial-, Kultur- und Rechtswissenschaften. 2006 hat sie das Studium der Rechtswissenschaften mit einer Diplomarbeit zur philosophisch-ethischen Begründbarkeit von Menschenrechten abgeschlossen, 2012 das Studium der Philosophie und Soziologie mit einer Masterarbeit zum Einfluss der Phänomenologie Edmund Husserls auf die Methoden der qualitativen Sozialforschung. Diese Arbeit ist 2014 als Buch erschienen. In ihrer 2017 abgeschlossenen, heute ausgezeichneten Dissertation im Fach Philosophie hat sie die Grundlagen der qualitativen Sozialforschung im deutschsprachigen Raum rekonstruiert. Der Begriff der Qualitativen Forschung umfasst ein breites Spektrum an methodischen Zugängen zur Erforschung sozialer und kultureller Wirklichkeit und wird heute als ‚umbrella term’ für unterschiedliche Forschungslogiken und Epistemologien genutzt. Die vorliegende Dissertation zeichnet nach, wie sich das Feld im deutschsprachigen Raum zwischen 1945 und 1989 entwickelt hat und adressiert dabei mehrere zentrale Themen der Philosophiegeschichte: In den 1950er und 60er Jahren war die Methodenentwicklung stark von Kritischem Rationalismus und Kritischer Theorie beeinflusst, in den 1970er Jahren von Phänomenologie, Hermeneutik, Pragmatismus und verschiedenen sprachphilosophischen Strömungen. Die deutschsprachige Qualitative Forschung ist bis heute ein Ort intensiver methodologischer Auseinandersetzungen mit Fragen der Epistemologie, Handlungstheorie und Hermeneutik sowie Kriterien für die Güte sozialwissenschaftlicher Forschung. Im Zentrum der Dissertation stehen vier Fallstudien über verschiedene Forschungsgruppen, die in eine historische Rahmenerzählung eingebettet sind. Dabei wird deutlich, dass das heutige Feld Qualitativer Forschung aus zwei sehr unterschiedlichen Traditionslinien hervorgegangen ist: Qualitative Elemente im Programm Empirischer Sozialforschung sowie verschiedene Spielarten interpretativer Sprachsoziologie. Diese Fusion dieser Strömungen Ende der 1970er Jahre war wissenschaftspolitisch äußerst erfolgreich, hat aber auf methodologischer Ebene zu mehreren Konfliktlinien geführt, die sich zum Teil bis in die Gegenwart fortsetzen. Neben den Qualifizierungsarbeiten hat PLODER sich außerdem mit der Methodologie kritischer Migrationsforschung und mit aktuellen Strömungen innerhalb der qualitativen Sozialforschung beschäftigt und gemeinsam mit dem Grazer Soziologen Stephan Moebius ein dreibändiges Handbuch zur Geschichte der deutschsprachigen Soziologie herausgegeben. Seit 2008 war Andrea Ploder Universitätsassistentin an den Universitäten Graz, Salzburg und Siegen, sowie Gastforscherin bzw. Lektorin an der UC Berkeley, University of Chicago, TU Berlin und Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit Februar des heurigen Jahres ist Andrea PLODER nun Gastforscherin an der University of California Berkeley, wo sie mit dem Nachlass des amerikanischen Sozialphilosophen Harold Garfinkel arbeitet.
Dr. Daniel SCHEIBER, MSc (Physik) Daniel Scheiber wurde 1987 in Eberstalzell geboren und ist im Kärntner Gailtal aufgewachsen, wo er gemeinsam mit seinen Geschwistern den Eltern beim Bewirtschaften der Almen half. Nach dem Zivildienst beim Roten Kreuz begann er mit dem Physikstudium an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Für die Dissertation bekam er schließlich eine Anstellung am Materials Center Leoben. Diese Arbeit mit dem Titel „Theoretical Study of Grain Boundaries in Tungsten an Molybdenum“ wird heute von uns ausgezeichnet. Wolfram und Molybdän weisen äußerst gute Materialeigenschaften auf wie zum Beispiel hohe Schmelzpunkte, hohe Zugfestigkeit bei erhöhten Temperaturen und niedrige Temperaturausdehnungskoeffizienten. Allerdings brechen Wolfram und Molybdän meist spröde bei und unter Raumtemperatur. Dieser spröde Bruch verläuft bevorzugt entlang von Korngrenzen (KGs), die die Schwachstelle von Wolfram und Molybdän darstellen und die Anwendbarkeit dieser beiden Elemente erheblich limitiert. In der Arbeit von SCHEIBER wurden die zugrundeliegenden Mechanismen für die Sprödigkeit bei niedrigen Temperaturen von Wolfram und Molybdän untersucht und Gegenmaßnahmen auf Basis von Korngrenzen-Simulationen mit ab-initio Dichtefunktionaltheorie präsentiert. Zuerst werden KG-Eigenschaften für mehrere KGs in verschiedenen kubisch raumzentrierten Metallen berechnet und analysiert. Durch die Berechnung des Verhältnisses von KG-Kohäsion zur Kohäsion im Inneren des Korns kann gezeigt werden, dass dieses Verhältnis für Wolfram und Molybdän relativ gering ist im Vergleich zu den anderen untersuchten Metallen. Das bedeutet, dass der bevorzugte Bruchmodus entlang der Korngrenzen für Wolfram und Molybdän eine Eigenschaft des reinen Materials ist. Im zweiten Teil der Arbeit wird untersucht, wie man der niedrigen KG-Kohäsion durch Legieren entgegenwirken kann. Für eine große Anzahl von Elemente wird die Segregation zur KG studiert und der Effekt auf die KG-Kohäsion ausgewertet. Als Folge werden mehrere vielversprechende Legierungselemente identifiziert, die die KG-Kohäsion erhöhen. Zusätzlich zur Studie von Segregation im reinen Wolfram und Molybdän wurde der Spezialfall des hochlegierten W-25at%Re untersucht. SCHEIBER ist derzeit als PostDoc am Materials Center Leoben angestellt, wo er das Thema Grenzflächen und Segregation in Metallen weiter auslotet. Zum Thema hat er bereit zahlreiche Texte publiziert und an Fachkonferenzen teilgenommen. Neben der Forschung ist aber die Familie Lebensmittelpunkt. Bereits während des Masterstudiums lernte Daniel Scheiber seine Frau Jasmine kennen. 2012 und 2014 kamen die Töchter Amelie und Felicitas zur Welt. Die Familie lebt in Leoben und ist gerne für Ausflüge in der ganzen Steiermark unterwegs.
Mag. Malik SHARIF, MA, PhD (Musikwissenschaft) Malik Sharif wurde 1982 in Berlin geboren. Kurze Zeit studierte er Agrarwissenschaften in Berlin, brach das Studium jedoch für eine musikalische Karriere ab. Er war von 2003 bis 2005 Gitarrist in der nicht unbekannten Punkband „Cut My Skin“, daneben unter anderem auch Singer/Songwriter und Gitarrist einer Reggae-Band. 2006 begann Sharif schließlich mit dem Studium der Musikwissenschaft und entschied sich, dafür nach Graz zu gehen (ausdrücklich NICHT als Numerus-Clausus-Flüchtling). Nach dem Bachelor folgte 2011 der Master, für dessen Arbeit mit dem Titel „Das Masala Brass Kollektiv. Eine mikromusikalische Fallstudie aus Österreich“ er mit dem Würdigungspreis des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung ausgezeichnet wurde. Daneben machte er noch ein Philosophiestudium, das 2012 abgeschlossen wurde. Von 2011 bis 2015 war Malik Sharif Universitätsassistent am Institut für Ethnomusikologie der Kunstuniversität Graz. In dieser Zeit begann er auch sein PhD-Studium in Musikwissenschaft. Die zugehörige Dissertation Charles Seeger and Twenty-First-Century Musicologies: A Critical Assessment of his Meta-Musicological Thinking erhielt den Award of Excellence des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft und wird heute vom Josef Krainer Gedenkwerk ausgezeichnet. Die Philosophie der Musikwissenschaft bzw. Meta-Musikologie ist eines der zentralen Themen im wissenschaftlichen Oeuvre des einflussreichen US-amerikanischen Musikwissenschaftlers, Komponisten, Philosophen, politischen Aktivisten und Erfinders Charles Seeger (1886-1979). Über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren hat sich Seeger intensiv Themen wie den folgenden gewidmet: das Verhältnis zwischen Musik und Sprache und die erkenntnistheoretischen Implikationen dieses Verhältnisses für eine akademische Musikwissenschaft; die soziale Erkenntnistheorie von Musikwissenschaft; die grundlegenden Dimensionen und Faktoren musikwissenschaftlicher Disziplinarität; die Daseinsberechtigung der Musikwissenschaft, ihre inner- und außerwissenschaftlichen Ziele und Zwecke sowie ihr Verhältnis zu anderen wissenschaftlichen Bereichen und zur Gesellschaft allgemein. Da alle diese Themen einen grundlegenden Charakter haben, wird auf Seeger auch noch in heutigen meta-musikologischen Debatten Bezug genommen, wenngleich dabei oft nur sehr selektiv vorgegangen wird. Diese Dissertation leistet erstmals eine umfassende historische Rekonstruktion und Analyse von Seegers meta-musikologischem Denken. Diese historischen Forschungsergebnisse dienen in Folge als Arsenal von Ideen und Begriffen, die in aktuellen Debatten zur Anwendung kommen können. Seegers Ideen werden dementsprechend mit Blick auf gegenwärtige hochschul- und forschungspolitische Bedingungen musikwissenschaftlicher Forschung aktualisiert und zu einer „konkreten Utopie“ (Ernst Bloch) musikwissenschaftlicher Forschung im 21. Jahrhundert entwickelt. Aus Sicht dieser konkreten „Seeger’schen“ Utopie werden schließlich konkurrierende Beiträge aus dem aktuellen musikwissenschaftlichen Diskurs einer kritischen Analyse unterzogen. Seit 2015 ist Sharif Assistent der Vizerektorin für Forschung der Kunstuniversität Graz, Barbara Boisits, und ist in dieser Funktion u.a. für das Forschungsservice und den Wissens- und Technologietransfer an der Kunstuniversität verantwortlich. Darüber hinaus ist Sharif immer noch musikalisch aktiv, aktuell vor allem mit dem Radical-Eurodance-Projekt „Circle A“. Malik Sharif ist mit der Musikwissenschaftlerin und Soziologin Susanne Sackl-Sharif verheiratet, die bereits 2015 mit dem Josef-Krainer-Förderungspreis ausgezeichnet wurde.
Mag. Dr. Matthias ZUSSNER (Rechtswissenschaften) Matthias ZUSSNER wurde 1990 in Leoben geboren. Nach dem Wehrdienst begann er mit dem Studium der Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität in Graz und schloss das Doktorratsstudium an. 2017 promovierte er mit der Dissertationsarbeit zum Thema „Ermessen im Sinne des Gesetzes. Grundfragen einer österreichischen Ermessensdogmatik nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012“. Die Arbeit setzt sich mit dem Verwaltungsermessen und damit in logischer Konsequenz mit den Grenzen verwaltungsgerichtlicher Entscheidungsbefugnis bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit verwaltungsbehördlicher Entscheidungen auseinander, wobei diese Frage so alt ist, wie die Verwaltungsgerichtsbarkeit selbst. Wie das rezente Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zur geplanten dritten Start- und Landepiste am Flughafen Wien gezeigt hat, ist das Thema der Arbeit deshalb nicht minder aktuell – und zwar nicht nur aus Sicht der Rechtswissenschaft, sondern auch für die Rechtspraxis. Neues Licht auf das Thema hat außerdem die Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit mit meritorischen Entscheidungsbefugnissen und voller Tatsachenkognition geworfen. Das Ermessen bildet dabei schon nach verfassungsrechtlicher Grundlegung den Schlüsselbegriff bei der Abgrenzung der Verantwortungsbereiche von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die vorliegende Arbeit versucht, dem verfassungsrechtlichen Ermessensbegriff mit einer systematischen Modellanalyse Konturen zu verleihen, um so mehr Klarheit über die Reichweite verwaltungsgerichtlicher Entscheidungsbefugnis zu schaffen. Die heute ausgezeichnete Dissertation erhielt auch den GRAWE-Förderpreis, wurde als Best-of-Rewi ausgezeichnet und auch zum Forschungspreis den Landes Steiermark nominiert. Der aktuelle Forschungsfokus von Matthias ZUSSNER liegt auf den Grundrechten, etwa der Glaubens- und Gewissensfreiheit, wo demnächst eine Publikation zum Thema „Burka-Verbot“ erscheinen wird. Im Rahmen seines Habilitationsprojektes wird sich ZUSSNER intensiv mit dem neu geregelten Datenschutzrecht, dem Recht auf freien Datenverkehr und möglichen Wegen der Vollendung des digitalen Binnenmarktes im europäischen Mehrebenensystem beschäftigten. Nach einem Lehrauftrag im Rahmen der „GUSEGG – GRAZ INTERNATIONAL SUMMER SCHOOL“ hat Matthias ZUSSNER nun eine reguläre Lehrverpflichtung im Rahmen seiner Postdoc-Stelle am Institut für Rechtswissenschaften an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Mit dem Job- und folglich Wohnsitzwechsel nach Klagenfurt bieten sich auch die dortigen Freizeitaktivitäten als Hobbies hervorragend an. ZUSSNER entspannt gerne am Wörthersee oder in Italien. Griechenland und Städtereisen, Literatur, Theater und Fotografie reihen sich ebenso in die Liste der beliebten Freizeitmöglichkeiten. Apropos Reihen: Im Lebenslauf reihen sich schon zahlreiche Publikationen und Vortragstätigkeiten, deren Weiterwachsen hoffentlich durch den Josef Krainer Förderungspreis weiter gefördert wird.
Josef Krainer-Bologna-Stipendium Studienjahr 2018/19
Christina Riegler, BA Das Josef Krainer-Gedenkwerk vergibt an besonders qualifizierte Absolventinnen und Absolventen der steirischen Universitäten bzw. steirische Absolventinnen und Absolventen an anderen österreichischen Universitäten ein Stipendium als Beitrag zur Finanzierung eines Studienjahres am Bologna Center der Johns Hopkins University. RIEGLER begann mit dem Jus-Studium in Graz und wechselte dann an die University of Nottingham, wo sie 2017 ihren Abschluss in International Relations machte. Dazwischen war sie für ein Erasmus-Semester in Toulouse am Institut d’Etudes Politiques. Das Masterstudium absolviert sie in Leiden und wird es noch 2018 abschließen. RIEGLER strebt eine spätere Karriere im diplomatischen Dienst an und möchte am Bologna Center insbesondere ihre Kenntnisse im Bereich der Wirtschaftswissenschaften erweitern und vertiefen.
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